In der Dunkelheit unterscheidet sich Oben und Unten nicht sonderlich von Links oder Rechts. Wie lange wird mein Atem noch halten? Ich hatte meine Lungen mit Luft vollgepumpt, bevor der Wagen die Wasseroberfläche berührte. Es muß reichen. Haß treibt mich an. Mittlerweile sind zwei dutzend Bullen dort oben, am Steg. Die Waffen entsichert, angelegt und warten darauf, das ich auftauche, so daß sie mein Gesicht ins Jenseits schicken können. Hoffentlich halten sie die Luft an die Schweine...

Ah, da ist, was ich gesucht habe. Ein Abwasserrohr. Meine Lungen brennen, lange wird der Atem nicht mehr halten. Ich weiß wohin es führt. Ich tauche ein. Nur noch wenige Meter. Den Weg des Abfalls aus der Stadt zurückgehen... Der Gestank der Kanalisation riecht wie reinste Frühlingsluft, jetzt wo ich meine gemarterten Lungen füllen kann. Durch einen Kanaldeckel steige ich hinauf in diese verrottete Stadt.

Die Klinker der Wand, an der ich mich langsam hinaufbewege, sind scharf und schneiden mir in die Finger. Jede kleinste Ritze wird genutzt. Ich spüre wie der spröde Mörtel unter meinen Sohlen nachgiebt, spüre wie der Schuh abrutscht - dann finde ich genügend Halt um mich weitere Zentimeter nach oben zu kämpfen. Nach einem scheinbar endlosen Aufstieg bin ich endlich auf dem richtigen Sims angelangt und krieche die Wand entlang. Der Wind, der immerwährende Wind, zerrt an dem, was einmal mein Mantel war, und versucht mich von der Wand wegzureißen. Das Fenster steht offen - wie immer. Wer erwartet auch im 13. Stock schon Besuch?

Im Badezimmer finde ich alles was ich brauche - gute Lucille. Sie hat immer was ich brauche. Ich verbinde die vielen Wunden, die das Glas geschnitten hat. Doch eine Wunde kann ich nicht verbinden. Sie ist vielleicht die Schlimmste von allen. Plötzlich schaue ich in den Lauf eines entsicherten Revolvers und sehe dahinter...

„Ach Du bist das!“

„Keine Angst Lucille, ich bin nur ein bißchen aufgemischt. Hast Du ein Bier?“

„Keine Chance, daß Du irgendwelchen Alkohol von mir bekommst. Außerdem bist du ja nicht deswegen hier?“ Es klang nicht wie eine Frage.

„Nein.“ Der Rauch meiner Zigarette findet seinen Weg in meine Lungen und ich lasse das Nikotin langsam wirken. Es ist aber nicht das gleiche wie...

„Hier. Ohne sie bist Du noch schlimmer.“

„Danke.“ Ich fange den kleinen Zylinder, den mir Lucille zuwirft.

Lucille. Meine Bewährungshelferin. Sie ist eine Lesbe. Nur Gott weiß warum. Mit diesem Körper könnte Sie jeden Mann haben, den sie wollte. Die Pillen kommen von ihrer Freundin, einer Psychologin. Sie wollte mich einmal analysieren, bekam aber zuviel Angst...

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