"Ich brauche Handschellen."

Die Knotenlady gibt mir welche aus ihrer Sammlung. Offensichtlich reichen die Knoten doch nicht immer...

Mit Wendy zusammen fahren wir los. Wir müssen ein paar Sachen besorgen. Ich versuche Wendy nicht dauernd anzustarren. Verdammt schwer. Je mehr ich mich bemühe nicht zu ihr zu schauen, desto öfter muss ich es tun. Aber es macht alles nur noch schlimmer. Und wenn ich meine Augen zu lange zumache wird es furchtbar. Ihre Stimme... Oh Goldie. Sie riecht so gut. Und ihre Stimme ist wie ein sanftes Streicheln auf meiner Haut. Ich möchte trinken, ihren Duft, ihre Haut streicheln, ihr Haar spüren... Ich bin völlig verwirrt. Je mehr ich versuche nicht daran zu denken, um so mehr denke ich an Goldie, wird Wendy zu Goldie. Verdammt. Sie sieht nur genauso aus. Und riecht so. Und spricht so. Ein Engel der hier neben mir sitzt. Goldie ist tot und es ist Wendy. Kein Engel. Wendy. Goldies Zwillingsschwester. Goldie...

Und Wendy ist verdammt hart. Sie hat mich auf dem Parkplatz fast fertig gemacht, sie und ihr süßer kleiner Porsche. Sie hat auf mich geschossen und sie hat mich mit der gleichen Knarre verprügelt. Und es hat nicht viel gefehlt und sie hätte mir das Hirn weggeblasen. So wie Goldie... Verdammt, ich muss mich konzentrieren. Sie ist Wendy. Goldies Zwillingsschwester. Ich muß das behalten.

„Hast du was gesagt, Wendy?“

„Sie war meine Schwester. Ich ziehe das durch weil ich sie geliebt habe.“

Der Schmerz der Erinnerung ist Ihr anzusehen. Auch wenn sie sich beherrscht, so sehe ich doch das leichte Zittern Ihrer Lippen und den Glanz in Ihren Augen der nicht nur vom heißen Fahrtwind in dem offenen Cabrio herrührt.

„Warum aber bist du dabei? Wieso will ausgerechnet ein Typ wie Du sich mit Roark anlegen? Du kannest Sie doch gar nicht!“

Halb Frage, halb Vorwurf sieht sie mich an, der Blick ist flüchtig, so als hätte Sie Angst mir in die Augen zu schauen. Die Nachlässigkeit mit der Sie die Haarsträhnen, die Ihr ins Gesicht wehen ignoriert zeigen wie verwirrt sie noch ist, sie der Profi der seinen Marktwert eigentlich nicht durch eine zerstörte Frisur mindern würde. Und doch spüre ich die eiskalte Härte die in Ihr schlummert. Sie ist bereit sich mit mir zu verbünden, auch wenn sie mir nicht traut – warum auch, sie kennt mich ja gar nicht. Ich bin nur ein häßlicher Typ, viel zu groß, viel zu runtergekommen, viel zu dumm. Ich kann mir nicht vorstellen, das sie mir glaubt, das Goldie zu mir kam. Aber wenigsten glaubt sie im Moment nicht, das ich Lüge. Das ist mehr als genug...

„Sie war nett zu mir.“

Diesmal sieht sie mir in die Augen. Direkt und offen, und das Funkeln ihrer wunderbaren Augen kommt nicht vom Fahrtwind.

„Sie war verzweifelt, Mann! Sie brauchte Schutz und sie wußte wie sie Dich bei der Stange hält. Es hat nicht funktioniert. Du schuldest ihr gar nichts.“

Für mich klang es ehrlich. Für mich spontan. Für mich war es scheißegal.

„Sie war nett zu mir. Sie gab mir etwas wovon ich nicht wußte, das es exisiterte. Bisher konnte ich mir noch nicht einmal eine Nutte kaufen, so wie ich aussehe.“

Der Zigarettenrauch brannte sich in meine Lunge und schnürte mir den Kehlkopf zu. Man sollte nicht reden und rauchen. Oder denken und rauchen. Jedenfalls nicht and Goldie. Oh, Goldie... Was hast du nur mit mir gemacht. Es tut so weh, und du hast mir klargemacht das es für mich keine Hoffnung gibt auf Erlösung. Ich kann nur noch eines tun. Dich rächen.

Wendy blickte mich wortlos an, lange und nachdenklich. Sie sagte kein Wort mehr. Das ist irgendwie seltsam, normalerweise müssen Frauen doch immer etwas sagen. Ausser Goldie...

„Es wird schon hell. Wir sollten untertauchen. Ich wüßte wo. Es ist zwar ein Rattenloch aber man hält dort die Klappe.“

„Ja, Marv.“

Normalerweise passiert mir das nicht, das mir jemand zustimmt, wenn ich ihm kein Messer an die Kehle setze.

Wir nahmen ein Zimmer. 'Mr. und Mrs. Smith'. Welch grandiose Idee. Nach dem Gästebuch scheint eine Familienfeier der Smiths in diesem Hotel stattzufinden. Natürlich liege ich auf der Couch. Natürlich ist es zu heiß für eine Bettdecke. Natürlich macht es mir nichts aus. Natürlich liege ich wach. Es ist hell. Und es ist heiß. Und ich schwitze. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fasse, jetzt noch weniger als sowieso schon. Ihr Duft hüllt mich ein. Ich kann ihn riechen wie er in meine Lungen strömt und mich streichelt. Wie sie daliegt... wie eine Göttin. So vollkommen. So rein. Die Haare fallen in einem Meer von Locken um sie herum. Wie bei Goldie.
Ich bin mir nicht mehr sicher ob es nun Goldie ist oder nicht. Kann das überhaupt sein, das sich Menschen so ähnlich sehen? So wunderbar, so vollkommen? Oh, Goldie...
Bevor ich es richtig merke bin ich aufgestanden und stehe vor dem Bett und betrachte sie. Meine Goldie. Die alabaster Schenkel, so makellos wie ihre gesamte Haut. Der Bauch ganz flach mit einem perfekt geformten Bauchnabel. Erstaunlich, bei mir ist das ein furtchbares Loch, bei Ihr beinnahe ein Grübchen. Die Brüste, oh, diese wundervollen Brüste, sie schmiegen sich an Ihren Körper wie Liebende die zärtlich aneinander reiben. Und Ihr Gesicht, so rein, wie eines Engels, die langen Wimpern die wie Federn ihre Augen schmücken. In einem Meer voller Locken liegt sie da... „Oh, Goldie...“

Die Ohrfeige die sie mir verpaßt ist hart und bringt mich zur Besinnung. Goldie ist tot, es ist Wendy, ihre Zwillingsschwester die dort liegt.

„Es tut mir leid, Wendy.“

„Schon okay. Geh jetzt wieder auf das Sofa.“

„Ja. Es tut mir wirklich leid, aber manchmal vergesse ich Dinge.“

„Es ist okay, Marv. Schlaf jetzt“.

Ich bin so ein Arschloch...

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