„Ich habe Dich schon lange nicht mehr in so einem Zustand gesehen.“

„Ich hatte mit Bullen zu tun....“

„Na wundervoll, Du hast nicht zufällig ein paar von ihnen umgebracht?“

„Ich glaube nicht. Aber sie werden verdammt noch mal wissen, daß sie gekämpft haben.“

„Und wie zum Teufel glaubst Du, soll ich das dem Bewährungsamt erklären?“

Ich reiße sie am Revers ihres Bademantels zu mir heran.

„Es gibt kein erklären, auf keinen Fall, nicht diesmal!“ Ich kann die Angst in ihr spüren, als sie den Haß in meinen Augen sieht.

„Diesmal ist es keine Kneipenschlägerei oder irgendein Arschloch mit einem Gasbrenner der irgendeinen anderen Weichling anzünden will. Das hier ist etwas großes und ich stecke mittendrin. Und es gibt keinen Platz, an dem ich lieber wäre.“

„Reg' Dich ab, Marv. Nimm noch eine Tablette“

„Es gibt kein abregen mehr.“ Meine Stimme war nur noch ein Flüstern, aber so schneidend wie heißer Stahl durch Butter „Es wird Auge um Auge, wie in den alten Tagen. Die Alles-Oder-Nichts-Tage. Sie sind wieder da. Es gibt keine Wahl. Und ich bin bereit für den Krieg!“

„Der Knast war die Hölle für Dich, Marv. Diesmal wird es Dein Leben sein.“

„Die Hölle? Du weißt nicht, was die Hölle ist, niemand von euch weiß das. Dir Hölle ist vor einem Gericht zusammengeschlagen oder aufgeschnitten oder seziert zu werden. Die Hölle ist jeden verdammtem morgen aufzuwachen und nicht zu wissen, warum du da bist. Warum du überhaupt atmest. Das ist die Hölle.“ Aus ihren weit aufgerissenen Augen starrte mir blankes Entsetzen entgegen... „Ich bin jetzt endlich draußen. Es mußte jemand der sehr nett zu mir war, getötet werden, aber ich bin draußen. Ich weiß endlich genau warum ich atme. Und ich weiß genau, was ich tue.“

Über die Dächer. Dort geht es am schnellsten. Ich muß Gladys abholen. Süße Gladys. Aber ich muß an Mama vorbei. Und seit sie Blind wurde, sind ihre Ohren viel besser geworden. Ich schleiche mich den Treppenaufgang herauf und ziehe bereits vor der Tür meine Stiefel aus. Ganz vorsichtig taste ich mich am Mamas Schlafzimmer vorbei. Ich setze mich in meinem Zimmer auf mein altes Bett. Es ist noch alles an seinem Platz. Sogar das alte Modellflugzeug hängt noch. Mama hat immer noch nichts in meinem Zimmer geändert. Einmal pro Woche wischt sie Staub, so daß es aussieht, als wäre ich erst gestern ausgezogen. Und jedesmal wenn ich zu Besuch komme, läßt sie mich in dem Zimmer übernachten und die ganzen alten Gerüche bringen mich jedesmal zum weinen, wie jetzt auch.

Ich wußte, Gladys würde hier sicher sein. Ich habe sie von dem härtesten Typen, mit dem ich jemals gekämpft habe, geklaut. Damals in der Schule. Er war zu dem Zeitpunkt tot, also hat er sie nicht vermißt. Eine 9 Millimeter Automatik. Ich nenne sie Gladys nach einer der Nonnen in der Schule.
Eine Zeitlang gewöhnen wir uns erst mal aneinander. Es klappt so gut wie damals. Ich erzähle ihr von Goldie. Und was wir tun müssen.

„Marvin? Bist Du das?“

„Ja, Mama. Tut mir leid, daß ich Dich aufgeweckt habe.“

„Das macht nichts, ich konnte sowieso nicht schlafen. Es waren Leute hier, die nach Dir gefragt haben. Aber sie waren nicht von der Polizei.“

„Das ist wegen meinem neuen Job. Ich habe neue Arbeit. Es ist Nachtarbeit.“

Sie streicht mir mit der Hand über mein verbundenes Gesicht.

„Und was hast Du mit Deinem Gesicht gemacht?“

„Ich habe mich beim Rasieren geschnitten.“

„Sei ehrlich zu Deiner Mama, wirst du wieder verwirrt?“

„Mama, ich fühle mich besser als ich mich je gefühlt habe.“

„Du verschweigst mir doch etwas?...“

„Na gut. Es gibt da was... Ich habe ein Mädchen getroffen. Sie heißt Goldie... Sie ist wirklich nett.“

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