Hinter dem Spiegel
Das leichte Nieseln hatte gerade aufgehört. Von den Hauswänden hallte das leise quietschen seiner Sohlen zurück. Die Straßen waren wie leergefegt. Kurz nach 3. Eigentlich ein Arbeitstag. Aber um diese Uhrzeit lagen wohl alle im Bett. Oder so.
Die Rolltreppe zur U-Bahn war wieder kaputt. Natürlich merkte er es erst, als er schon darauf stand. Wie immer. Es war wie verhext. Seit Monaten klappte nichts mehr. Sein Job langweilte ihn zu tode. Seine Freunde waren alle beschäftigt. Und sonst gab es niemanden in seinem Leben. Es war alles so sinnlos. Sein Blick viel wie die viele Tausend male zuvor wieder auf jede erleuchtete Spiegelfläche, hier im Eingang der U-Bahn. Sie war da eigentlich schon immer. Nie nahm jemand davon Notiz. Er hatte sich zwar schon öfter gefragt, was dahinter eigentlich sein könnte, aber es dann wieder schnell vergessen. Eigentlich waren es keine Spiegel, sondern Zwei Schichten Glasscheiben, wobei dazwischen Neonröhren angebracht waren. Um genau zu sein, sah es genauso aus, als wäre es ein Beobachtungsposten. Der Beobachter wäre dabei durch die Sicherheit der Spiegel immer unsichtbar geblieben. Er hatte aber noch nie jemanden dorthineingehen gesehen. "Alles nur Hirngespinste, du bist ja paranoid!", versuchte er sich selber zu sagen. Aber die nagenden Zweifel blieben.
Als er sich jedoch umwandte, der Rolltreppe nach unten zu den Bahnsteigen zu, spürte er es im Nacken. Ein stechen, als würde jemand seinen Rücken angrinsen. Es war unerträglich. Er blieb stehen und wandte sich langsam um. "Niemand da." Niemand außer ihm und dem Spiegel. Was hatte er schon zu verlieren? Er näherte sich vorsichtig der Spiegelwand und suchte nach einem Eingang. Völlig überrascht entdeckte er, daß an der linken Seite eine normale Tür eingebaut war. Er hatte sie noch nie bemerkt. Vorsichtig berührte er die Türklinke und als sich nichts veränderte umfaßte er sie fester. "Es wird sowieso abgeschlossen sein." dachte er bei sich, "Du brauchst es also gar nicht zu versuchen." Aber die Neugier war stärker und so drückte er den Türgriff vorsichtig herunter.
Und tatsächlich: Die Tür öffnete sich völlig lautlos, so als wäre sie hervorragend geölt. Er starrte in die Dunkelheit hinter der Tür. Es war gar nichts zu erkennen. Einfach nur Dunkelheit. Vorsichtig sah er sich um, aber es war außer ihm immer noch keiner in der U-Bahnstation. Also faßte er sich ein Herz und gin durch die Tür. So stand er nun einen Moment regungslos in der Dunkelheit. Er versucht angespannt zu lauschen, ob er ein Geräusch hören könnte, irgend etwas, daß ihm die Anwesenheit anderer Menschen signalisierte. Aber nichts. Nur völlige Stille. Sogar die Geräusche von Außen schienen hier nicht mehr einzudringen. Auf einmal hörte er ein leises "Klick", als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel. Es war jetzt völlig dunkel und die totale Stille die ihn umschloß ließ in ihm die Furcht aufsteigen. Doch gerade in dem Moment, als er sich umdrehen wollte um wieder nach Draußen, in die U-Bahnstation zu gelangen, sah er vor sich ein schwaches Leuchten. Direkt vor ihm war eine zweite Tür. Deshalb konnte er nichts sehen, er war in einem Vorzimmer.
Langsam versucht er sich in der Dunkelheit vorzutasten und die Türklinke zu finden. Die Tür gab mit einem leisen Geräusch nach und ging durch. Er befand sich nun in einem schlichten Betongang. Das trübe Licht, daß von ein paar schwachen Deckenlampen ausging, ließ ihn die Sache wieder sehr viel nüchterner sehen. Es gab hier weder Außerirdische noch das Tor zu einer anderen Welt. Wahrscheinlich handelte es sich nur um einen einfachen Putzraum und die Spiegel dienten der Verzierung. Eigentlich hätte er jetzt wieder gehen können, aber die Neugierde trieb ihn weiter.
Am Ende des Ganges war eine weitere Tür. Von ihr ging ein fahles Glimmen aus. Vorsichtig schob er sich vorwärts. Das Glimmen wurde mit jedem Schritt den er tat stärker. Die Tür schien zu glühen. Er hatte das Gefühl als würde seine Haut wärmer werden und seine Haare sich vor Hitze kräuseln. Das Glimmen war nun zu einem Glühen geworden, obwohl die Tür noch so weit weg schien. Schweißperlen begannen seine Stirn heruterzurinnen. Es wurde immer heißer, je mehr er sich der Tür näherte.
Er zog seine Jacke aus, damit die Hitze nicht zu unerträglich wurde. Aber sie schien noch weiter anzusteigen. Mittlerweile rann ihm der Schweiß aus allen Poren. Die Tür hatte mittlerweile die Farbe von geschmolzenen Stahl angenommen. Es war wie in einem Hochhofen. Die Sohlen seiner Schuhe klebten am Fußboden fest und er hinterließ Fußspuren aus geschmolzenem Gummi.
Er stand nun direkt vor der Tür, die mittlerweile weißglühend war. Er konnte seine verkohlten Haare riechen. Der Schweiß rann nun in Strömen über sein Gesicht. Langsam streckte er die Hand in Richtung des weißglühenden Türgriffes aus. Er zögerte, weil es sich nicht sicher war, ob es sein könnte, daß die Tür wirklich glühte. Sein Verstand sagte ihm, daß dem nicht so sein könnte. Aber die Hitze fühlte sich wirklich an. Dennoch streckte er die Hand immer weiter aus bis wenige Milimeter vor den Türgriff. Die Hitze schien in seinem Kopf eine Glocke zu schlagen, die immer Lauter und heftiger Schlug.
Mit einem Ruck berührte er den Türgriff und ...
wachte auf.
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